Die LEAG 1882 - 1909


Die Detmolder Straßenbahn der Lippischen Elektrizitäts- AG (LEAG)

Schon 1882, als der Detmolder Bahnhof gerade zwei Jahre in Betrieb war, sah man den Bau einer schmalspurigen Pferdebahn von dort nach Berlebeck vor.  

Foto: Staatsarchiv Detmold

Hoffmanns Stärkefabriken in Bad Salzuflen, schon damals ein großes Unternehmen, das sich auch sehr für den Eisenbahnbau eingesetzt hatte, wollten dadurch einen Verkehrsanschluss für ihr im Teutoburger Walde gelegenes Dampfsägewerk schaffen.  Damals kam es aber noch nicht zum Bau dieser Bahn. 1895 bemühte sich dann der Kaufmann und Ingenieur Ferdinand Wessel mit Unierstützung des Stadtbaumeisters Schubert um den Bau einer elektrischen Bahn nach Hiddesen und zum Hermannsdenkmal.  Er hatte lange Zeit in der amerikanischen Elektroindustrie Erfahrungen gesammelt und war dann kürzere Zeit in Wien tätig, durfte aber als früherer Auswanderer nicht in seine preußische Vaterstadt - das benachbarte Herford - zurückkehren. 

Bei den damals und auch in den folgenden Jahren nicht sehr bahnfreundlichen Detmolder Stadtvätern fand Wessel mit seinem Plan aber wenig Zustimmung, da sie befürchteten, das Stadtbild würde durch die Oberleitungen in den Straßen verunstaltet.  In dem ebenfalls zu errichtenden Elektrizitätswerk sah man eine Konkurrenz für die kurz zuvor eröffnete Gasanstalt.  Die örtlichen Organe von Handel, Gewerbe und Fremdenverkehr unterstützten Wessel aber tatkräftig, ebenso die Direktion der AEG.  Nach der landesherrlichen Genehmigung vom 15.  Mai 1897 musste schließlich auch der Magistrat zustimmen.  Dabei wurde seitens der Regierung auch ausdrücklich der Bau einer Oberleitung für zunächst 6 Jahre gestattet.  Zwar hätte die Stadt gern einen Akkumulatorenbetrieb gesehen und hatte darüber auch verschiedene Gutachten eingeholt.  Die Landesregierung hielt das aber schon in einer Äußerung vom 23.  Juni 1896 für "nicht unbedingt angezeigt".  Auch Konkurrenzangebote aus dem Jahre 1896 konnten sich nicht durchsetzen, so der Plan einer Kleinbahn Detmold - Berlebeck - Kohlstädt - Schlangen Paderborn durch die Norddeutsche Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft in Altona sowie ähnliche Vorschläge u.a. von der Allgemeinen Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft in Berlin.



Die Eröffnung der Detmolder Straßenbahn 

Nach weiteren Verzögerungen konnten dann am 1. März 1900, bei schönstem Sonnenschein erstmals drei in den Landesfarben gelb und rot gestrichene und mit Fahnentuch und frischem Grün geschmückte Straßenbahnwagen vom Postamt durch die Stadt zum Depot und wieder zurück fahren.  Dabei hatte das Protokoll den ersten Wagen für die Mitglieder des Hofes vorgesehen, den zweiten für die Behörden, während die Ehrengäste mit dem dritten Wagen vorliebnehmen mußten.

Damit wurde Detmold seinerzeit mit 11 000 Einwohnern zur kleinsten Haupt- und Residenzstadt mit einer Straßenbahn, die auch noch rechtzeitig zu der wenige Monate später in großem Stil begangenen 25-Jahr-Feier des Hermannsdenkmals fertiggeworden war.  Obwohl zunächst nur zwei Strecken bestanden: Detmold, Post - Centrale - Hiddesen, Frische Quelle=4,0 km und Detmold, Post Centrale - Heiligenkirchen - Berlebeck, Schmiedeberg 6,5 km, konnte sich die Stadt mit dieser nach Planung und Ausführung fortschrittlichen Bahn durchaus sehen lassen. 

So hatten z.B. von Anfang an alle Triebwagen an den Stirnwänden geschlossene Plattformen, während man in Berlin und anderen Großstädten damals und auch später noch mit offenen Plattformen fuhr.  Da beide Linien mitten in den Teutoburger Wald führten und die Bahn nur Luftkurorte anlief - Berlebeck ist der älteste Luftkurort im Teutoburger Wald -, hatte sie neben dem normalen Reise-, Berufs- und Schülerverkehr eine besondere Bedeutung für den Ausflugs- und Fremdenverkehr und förderte dadurch die Entwicklung dieser Orte sehr.  Das wird besonders deutlich an dem Beispiel von Hiddesen, dessen Einwohnerzahl sich seitdem vervierfachte.

Foto: Sammlung Mellies


 

Die Bedeutung der Detmolder Straßenbahn

Als Überland-Straßenbahn hatte die "Elektrische", wie sie allgemein hieß, kaum Bedeutung für den innerstädtischen Verkehr, zumal sie nur Altstadt und Südstadt durchquerte und die durch den Eisenbahndamm abgetrennte nördliche Stadthälfte nicht bediente. Dafür war der Güterverkehr sehr rege.  Er diente zunächst dem Eigenbedarf an Brennstoffen für das Gleichstrom-Dampfkraftwerk an der Centrale (Depot), das ab Ende 1900 neben allerdings vertragslosen Lieferungen an Detmold noch 12 kleinere Ortschaften mit Strom versorgte und so während der verkehrsärmeren Wintermonate durch die dann notwendigen höheren Stromlieferungen das Unternehmen rentabler machte.  Massenguttransporte für verschiedene Firmen hätte die Stadt gern auf bestimmte Stunden beschränkt.  Das war aber nicht möglich wegen des für einen kleinen Bahnbetrieb großen Umfanges der Transporte, die den planmäßigen Personenverkehr nicht stören durften, aber auch wegen leicht verderblicher Waren, z.B. für eine Konservenfabrik in Hiddesen. Während des 1. Weltkrieges sowie mit der

Foto: Sammlung Sommer

Zunahme des Autoverkehrs in späteren Jahren ließ der Güterverkehr allmählich nach. - Bis zur Verkehrseinstellung im Jahre 1954 beförderte man auch die Post für Heiligenkirchen und Berlebeck.

Im  Jahre 1902 wurde mit der Johannaberg GmbH und Hoffmanns Stärkefabriken -AG die Verlängerung der Strecke in Berlebeck um 1,3 km bis zum Hotel Johannaberg vertraglich festgelegt und im folgenden Jahre ausgeführt.  Dabei konnte gleichzeitig ein Güteranschlussgleis bis zum Hoffmannschen Kalksteinbruch (jetzt Märchenwald) errichtet werden, das aber nur einige Jahre bedient wurde.

Der Transport war übrigens denkbar einfach: Ähnlich wie z.B. in Hannover und Düsseldorf wurden beladene Fuhrwerke auf Transportbühnen (Rollwagen) gesetzt und von der Straßenbahn ans Ziel gebracht.  Daneben gab es aber auch echte Güterwagen.



Nach dem 1. Weltkriege

Die Johannaberger Verlängerung wurde im 1. Weltkrieg vorübergehend und im November 1942 als erster Abschnitt endgültig stillgelegt. Die Endstation in Johannaberg war wegen der damals geplanten Weiterführung der Strecke nach Horn oder Paderborn wie eine Ausweichstelle gebaut, das Gleis zum Umsetzen wurde aber kaum benutzt.

Einschließlich der Verlängerung bis Johannaberg betrug die gesamte Streckenlänge rund 9 km.  Sie war schon 1902 durch den fehlenden Streckenabschnitt zwischen Bahnhof und Post mit einem Umladegleis am Bahnhof ergänzt worden.

1912 wurde die Hiddeser Strecke um fast 1 km bis zur Endstation am damaligen Hiddeser Weg bzw.  Hülsenweg unterhalb der Sternschanze verlängert und am 16.  Mai 1912 in Betrieb genommen.  

Jetzt konnte auch diese Strecke mit Beiwagen befahren werden, die an der Endstation auf einer einfachen Gabelung durch Abrollen auf dem natürlichen Gefälle umgesetzt wurden.  

Foto: Sammlung Melies

Foto: Sammlung Melies



Die Ausbaupläne und Vorhaben der LEAG

Zu den schon in den 90er Jahren und namentlich auch noch 1901 geplanten größeren Weiterbauten kam es nicht, obwohl die anfänglich nicht auf Rosen gebettete LEAG sich später gut entwickelte, wenn man dafür die allmählich von 3% auf 10% steigenden Dividenden als Maßstab nehmen kann.  Die üblichen Schwierigkeiten durch Kohleknappheit während des 1. Weltkrieges zwangen zur Einschränkung und zeitweiligen Einstellung des Straßenbahnverkehrs. Es bestanden Streckenerweiterungspläne: Unter Ausnutzung der Berlebecker Strecke waren zwei Trassen durch südliche Paralleltäler über den Teutoburger Wald in Richtung auf Paderborn möglich: entweder von Heiligenkirchen über Hornoldendorf Fromhausen - Holzhausen (1910 noch einmal aufgegriffen) oder den als Neubau kürzeren Weg durch die Wiggengründe direkt nach den Externsteinen und Horn.  Wessels Plan, die Hiddeser Strecke als Ringlinie über Heidenoldendorf zum Bahnhof weiterzuführen, wurde erst 2 Jahrzehnte später durch den Bau der Pivitsheider PESAG-Strecke über Heidenoldendorf teilweise verwirklicht.  Die vorgesehene Ausweitung des Netzes nach Norden, vom Bahnhof über Klüt nach Loßbruch, unterblieb ganz, wenn dieser Plan auch 1919 in veränderter Form als Linie Detmold - Lemgo über Klüt - Dehlentrup - Wahmbeckerheide und Brake noch einmal aufgegriffen und namentlich von der Stadt Lemgo befürwortet wurde, die sich mit 1 Mio. Mark am Bau beteiligen wollte.  Die gleiche Summe war für Detmold vorgesehen.  Ebenso unterblieb der am 19. 1. 1901 noch einmal verhandelte Bau der Verlängerung von Johannaberg zur Landesgrenze bei Schlangen (Richtung Paderborn) wegen der schwierigen Passstrecke über die Gauseköte, später auch wegen der dann gebauten PESAG-Strecken.  Für den Bau einer Seilbahn von Hiddesen hinauf zum Hermannsdenkmal verweigerte der Fürst seine Zustimmung.  Offenbar hielt man damals noch nichts von diesem Prestige-Symbol für Touristenziele, für das Wessels Plan ebenso ein frühes Beispiel ist wie der Widerspruch des Fürsten für den Landschaftsschutz.

Foto: Staatsarchiv Detmold

 Foto: Staatsarchiv Detmol


Der Wagenpark der LEAG

Für die Personenbeförderung besaß die LEAG 6 zweiachsige Triebwagen (18 Sitz- und 20 Stehplätze) aus dem Jahre 1900 für 550 V Betriebsspannung mit 18 Sitzplätzen auf Längsbänken und einer Wagenlänge von ca. 6,70 m. Hersteller war die MAN.  Dazu kamen 6 Beiwagen (16 Sitz- und 18 Stehplätze).  

Foto: Otto-Schacht

Foto: Sammlung Mellies

Im Jahre 1909 wurde noch der Triebwagen 7 angeschafft, der etwas komfortabler gestaltet war, sich aber wegen der schwachen Leistung als Fehlgriff erwies.  Da er die steile Kurve unterhalb der Friedrichshöhe nicht bewältigen konnte, war sein Einsatz nur auf der Hiddeser Strecke und ohne Beiwagen möglich.  Meistens wurde er nur in verkehrsschwachen Zeiten eingesetzt. Die zweiachsigen Beiwagen der LEAG übernahm zum Teil später die PESAG.  Es handelte sich um Wagen mit offenen Plattformen, 3 Fenster und flachem Dach.  Sie hatten 18 Sitzplätze und 12 Stehplätze.  Mindestens 2 von ihnen wurden als sog.  "Sommerwagen" hauptsächlich für den Ausflugsverkehr eingesetzt, während des 2. Weltkrieges aber auch im Normalverkehr.  Zwischen 1909 und dem 1. Weltkrieg wurden weitere 6 Beiwagen angeschafft.  Nach einer Statistik des Kleinbahn- und Eisenbahnvereines von 1912 gab es bis dahin insgesamt 12 Beiwagen, dazu 1 Gepäckwagen, 3 Transportwagen, 3 Unterwagen und 2 Loren.

 

Über den Verbleib der Tw 1-6 ist nichts bekannt.  Wahrscheinlich wurden sie 1922 ausgemustert oder zu Arbeitsbeiwagen umgebaut.  Sie waren während des 1. Weltkrieges sehr strapaziert worden und konnten nur notdürftig instandgehalten werden.

Nach dem Zusammenschluss mit der PESAG blieb der Detmolder Betriebsbereich recht selbständig.  So verkehrten hier zunächst ausschließlich Fahrzeuge der Baujahre 1910 und 1912.



Die Fahrpläne der LEAG
Erster Fahrplan 1900
Fahrplan 1902
Fahrplan 1915
Betrieben wurden die Linien im Stunden- und Halbstunden-Takt. Alle Linien mit Ihren Haltestellen, Zonen und Tarifen wurden auf einem Fahrplanblatt abgebildet. Ebenso auch die Beförderungsbedingungen. Erst später wurden Liniennummern in die Fahrpläne aufgenommen.


Der LEAG Betriebshof Heiligenkirchen

Die Centrale bestand aus einer Wagenhalle und einem Dampfwerk, das die erforderliche elektrische Energie für die Bahn lieferte. 

Für den Oberbau innerhalb der Stadt waren Rillenschienen montiert, die innerhalb und außerhalb der Schinenstränge gepflastert wurden. Außerhalb der Stadt waren Vignolschienen mit untergelegten Schwellen eingebaut worden. Die Spurweite betrug 1m und als kleinster Radius 20m.

 

Der Güterverkehr war von Anfang an für die Straßenbahn geplant. Für den Massenverkehr, wie z. B. Kohle, war das Rollbocksystem vorgesehen, mit deren Einsatz normalspurige Wagen auf Schmalspurgleisen übernommen werden konnten, wie es bei Kleinbahnen, die um die Jahrhundertwende gebaut wurden, allgemein gehandhabt wurde. Dieses Vorhaben scheiterte aber am Widerspruch der Staatsbahn. Dafür wurde ein einfaches Rollbocksystem
für den Transport von Straßenfuhrwerken eingerichtet.


Die Fahrgeschwindigkeit auf der freien Strecke war mit 25 km/h festgelegt, durfte aber in der Stadt 12 km/h nicht überschreiten. Die elektrische Stromzuführung für den Motorwagen erfolgt mit dem System der Oberleitung, wobei die Rückleitung des Stromes durch die Schienen ging.


Die Netzspannung betrug 550 V bis zur Übernahme durch die PESAG.

 

Stationiert waren hier 6 zweiachsige Triebwagen. dazu kamen 6 Beiwagen, 1 Gepäckwagen, 3 Transportwagen, 3 Unterwagen und 2 Loren.

Foto: Sammlung Sommer